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5300 Jahre Schrift
Universität Heidelberg: Sonderforschungsbereich 933 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften
& Heidelberg Center for Cultural Heritage – HCCH
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Sonderforschungsbereich 933 der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Materiale Textkulturen & Heidelberg Center for Cultural Heritage – HCCH
 

Schreibende Vasenmaler

Sinn und Unsinn von ›Text im Bild‹ (um 540 v. Chr.)

von Nikolaus Dietrich  (Klassische Archäologie)

 
Attisch-schwarzfigurige Amphora aus gebranntem Ton

(Höhe: ca. 61 cm). Das Vasenbild zeigt Achill und Aiax beim Brettspiel und ist mit griechischen Beischriften versehen. Getöpfert, bemalt und signiert von Exekias. Gefunden in einer etruskischen Nekropole bei Vulci (Italien), wohin das Gefäß als athenisches ›Exportprodukt‹ gekommen war. Heute im Vatikan, Museo Gregoriano Etrusco (Inv. 16757). Datierung: um 540 v. Chr.

 
zum Autor

Nikolaus Dietrich ist seit 2015 Junior-Professor am Institut für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg. Er erforscht griechische und römische Bildkulturen. Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt dabei auf der griechischen Vasenmalerei. Im SFB 933 leitet er das Teilprojekt A10 »Schrift und Bild in der griechischen Plastik: Exemplarische Untersuchung am Beispiel Athens und Olympias von der Archaik bis in die Kaiserzeit«.

 

Artikel als PDF

 

Texte sind zum Lesen, Bilder zum Betrachten da. Kaum einer würde dieser trivialen Aussage widersprechen wollen. Gleichzeitig aber kommen nur wenige Bilder, mit denen wir in unserer gegenwärtigen Kultur konfrontiert sind, ganz ohne Textinformationen aus: Seien es Bilder in einer Gemäldegalerie, wo eine dezente Plakette den interessierten Besucher über Titel, Maler und Datum des Bildes aufklärt, seien es Bilder in der Zeitung, deren Legende die Leser darüber aufklärt, was darauf abgebildet ist. Um sich von der Unverzichtbarkeit solcher bildbegleitenden Textinformation zu überzeugen, reicht es, sich vorzustellen, ebendiese Informationen würden einem beim Besuch des Museums oder beim Lesen der Zeitung fehlen. Sowohl der kunstsinnige Museumsbesucher wie auch der ernsthafte Zeitungsleser würden sich betrogen fühlen. Bilder mögen zum Betrachten da sein — wie die alltägliche Erfahrung lehrt, bedürfen wir aber meistens begleitender Textinformation, um dieses Betrachten gewinnbringend zu gestalten. So sollte es nicht verwundern, dass Bilder auf athenischen Vasen der archaischen und klassischen Epoche ebenfalls sehr häufig von Texten umfangen sind, so auf dem hier behandelten Gefäß, einer berühmten Amphora aus der Zeit um 540 v. Chr. in den Vatikanischen Museen. Es handelt sich um ein Gefäß, das für das Symposion, das luxuriöse Trinkgelage der Männer, gedacht war, in dessen Kontext man sich folglich an dem prächtigen figürlichen Dekor des Gefäßes erfreuen sollte.

Zwei gerüstete Krieger sitzen an einem blockartigen Tisch und vertreiben sich die Zeit mit einem Brettspiel. In den Freiräumen zwischen den Figuren verlaufen zahlreiche Schriftzüge. Gehen wir diese Aufschriften einzeln durch: Über den Köpfen der beiden Krieger stehen zwei aus dem Mythos wohlbekannte Namen: Links Ἀχιλ<λ>έo̅ς, übersetzt »des Achill« (in dem Sinne »dies ist die Figur des Achill«) und rechts Αἴαντος, »des Aiax«. Wir haben es hier also mit den beiden stärksten griechischen Helden im Kampf um Troja zu tun, die sich im Brettspiel messen. Die Beschriftung links der Figur des Achill lautet Ἐχσε̅ κί(α)ς ἐποίεσε(ν), »Exekias hat es gemacht«. Hierdurch liefert der ›Text im Bild‹ also bereits die wesentlichen Informationen, welche dem Betrachter wie in den oben erwähnten Begleitplaketten in einer Gemäldegalerie zur Verfügung gestellt werden, nämlich wer dargestellt und wer der Künstler ist.

Doch steht auf dem Vasenbild noch mehr geschrieben: Rechts von Aiax liest man Ὀνε̅ τορίδε̅ ς καλός, also »Onetorides ist schön«. Wer ist dieser Onetorides? Solche sogenannten kalos-Inschriften, die die Schönheit eines Knaben feiern, obwohl dieser im Bild gar nicht dargestellt ist, sind in der attischen Vasenmalerei sehr häufig. Man muss davon ausgehen, dass es sich dabei um die Namen von Knaben aus der ›jeunesse dorée‹ Athens handelt, die durch ihre Schönheit besonders herausstachen und in der feinen Gesellschaft der Stadt in aller Munde waren. Schöne Knaben und ihr erotisches Charisma waren somit in der Bilderwelt der athenischen Luxuskeramik allgegenwärtig. Dieses Thema war ebenso zentral in den elaborierten Trinkliedern, welche uns aus archaischer Zeit überliefert sind. Dabei besteht allerdings kein besonderer Zusammenhang mit der bildlichen Darstellung: Diese Art der Beschriftung liefert uns keinerlei Textinformation, die unentbehrlich gewesen wäre, um das Bild auf der Vase zu verstehen. Was ist also der Sinn dieser Inschriften? Zwei weitere Schriftzüge auf unserer Vase sind wiederum von ganz anderer Art: Schräg abwärts von den Mündern der beiden Helden verlaufen zwei Beschriftungen: τέσ(σ)‌αρα (»vier«) bei Achill und τρία (»drei«) bei Aiax. Achill hat also offenbar eine Vier gewürfelt, Aiax nur eine Drei. Ebenso wie Achill den Aiax durch seine Heldentaten auf dem Schlachtfeld noch übertrifft, so setzt er sich auch beim Brettspiel durch. Die ausgeschriebenen, gewürfelten Augenzahlen unterstreichen also nochmals etwas, was in Homers Ilias omnipräsent und ganz allgemein für die griechische Kultur charakteristisch ist, nämlich die Wichtigkeit von Wettkampf und Sieg, mithin das, was als ›agonales Prinzip‹ beschrieben worden ist. Außerdem schaffen sie so etwas wie eine ›Sonorisierung‹ (›Vertonung‹) des Bildes, wie es der französische Archäologe François Lissarrague formuliert hat: Die Schriftzüge kommen unmittelbar aus den Mündern der beiden Helden — bei Aiax wurde dafür sogar die Schreibrichtung angepasst, mit einem linksläufigen τρία! An die Stelle der rein visuellen Erfahrung des Bildes sollte eine synästhetische Erfahrung treten. Diesbezüglich ist es für das Verständnis solcher Inschriften entscheidend, dass man davon ausgehen muss, dass diese prinzipiell laut gelesen wurden. Durch das laute Lesen der von den beiden Helden ausgesprochenen Worte findet also eine Art ›re-enactment‹ statt, in jedem Fall aber eine ganz und gar konkrete Sonorisierung des Bildes. Als reine Textinformation waren diese Inschriften jedoch erneut für das Bildverständnis durchaus entbehrlich.

Es zeigt sich somit, dass es bei den Inschriften im Bild kaum primär um ihren Informationsgehalt ging. Nicht nur bringen Inschriften in der attischen Vasenmalerei oft wenig Sinn ein, der nicht bereits aus dem Bild zu erschließen gewesen wäre. Teils erweisen sie sich auch empfänglich für offensichtlichen Unsinn — etwa durch bewusst ›falsche‹ Namensbeischriften. Wie weit die Unsinnigkeit von Vaseninschriften gehen kann, wird insbesondere an einer sehr häufigen Kategorie von Inschriften deutlich, nämlich den sogenannten ›nonsense-Inschriften‹, also solchen, die den normalen Beschriftungen zwar visuell ganz und gar gleichen, sich beim Versuch eines Entzifferns aber als sinnlose Buchstabenfolgen entpuppen. Hier handelt es sich nicht um eine Aufforderung, den Text zu lesen und das Bild zu betrachten. Vielmehr wird der Betrachter dazu bewegt, bei der Rezeption des gar nicht lesbaren Textes den fehlenden Sinn in das Bild hineinzulesen, mithin, wenn man so möchte, den Text zu betrachten und das Bild zu lesen. Der Betrachter wird also dazu angeregt, das Betrachten des Bildes und das Lesen des Texts nicht als kategorial getrennte Rezeptionsakte aufzufassen, teilen sich Figuren und Inschriften doch denselben Raum: Geschrieben wird nicht neben dem Bild, sondern im Bild, als integraler Bestandteil des Bildes. Dasselbe gilt auch für den Produktionsakt des Zeichnens und des Schreibens: Beides wird nämlich mit demselben griechischen Verb — graphein — bezeichnet.

 

 
Literatur

Gerleigner, Georg (2015),»Smikros hat’s gemalt. Zur Schriftbildlichkeit griechischer Vaseninschriften«, in: Annette Kehnel u. Diamantis Panagiotopoulos (Hgg.), Schriftträger – Textträger. Zur materialen Präsenz des Geschriebenen in frühen Gesellschaften (Materiale Textkulturen 6), Berlin/München/Boston, 209–228.

Lissarrague, François (1995), »Epiktetos egraphsen. The Writing on the Cup«, in: Simon Goldhill u. Robin Osborne (Hgg.), Art and Text in Ancient Greek Culture, Cambridge, 12–27.

Osborne, Robin/Pappas, Alexandra (2007), »Writing on Archaic Greek Pottery«, in: Zahra Newby u. Ruth LeaderNewby (Hgg.), Art and Inscriptions in the Ancient World, Cambridge, 131–155.

Weitere Verweise

Informativer Katalogeintrag der im Text besprochenen Amphore auf der Seite des Vatikanischen Museums.

Video mit Detailaufnahmen der im Text behandelten Amphore sowie Erklärungen auf KhanAcademy. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, hierzu ein kleines Quiz zu absolvieren.

Abbildungshinweis

Titelbild: By Exekias – Foto: Jakob Bådagård, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14664100.

 
  Wunderhorn Verlag Sonderforschungsbereich Materiale Textkulturen der Deutschen Forschungsgemeinschaft Universität Heidelberg  

Schreibende Vasenmaler

Sinn und Unsinn von ›Text im Bild‹ (um 540 v. Chr.)

von Nikolaus Dietrich  (Klassische Archäologie)

Attisch-schwarzfigurige Amphora aus gebranntem Ton

(Höhe: ca. 61 cm). Das Vasenbild zeigt Achill und Aiax beim Brettspiel und ist mit griechischen Beischriften versehen. Getöpfert, bemalt und signiert von Exekias. Gefunden in einer etruskischen Nekropole bei Vulci (Italien), wohin das Gefäß als athenisches ›Exportprodukt‹ gekommen war. Heute im Vatikan, Museo Gregoriano Etrusco (Inv. 16757). Datierung: um 540 v. Chr.

Titelbild: By Exekias – Foto: Jakob Bådagård, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14664100.

Texte sind zum Lesen, Bilder zum Betrachten da. Kaum einer würde dieser trivialen Aussage widersprechen wollen. Gleichzeitig aber kommen nur wenige Bilder, mit denen wir in unserer gegenwärtigen Kultur konfrontiert sind, ganz ohne Textinformationen aus: Seien es Bilder in einer Gemäldegalerie, wo eine dezente Plakette den interessierten Besucher über Titel, Maler und Datum des Bildes aufklärt, seien es Bilder in der Zeitung, deren Legende die Leser darüber aufklärt, was darauf abgebildet ist. Um sich von der Unverzichtbarkeit solcher bildbegleitenden Textinformation zu überzeugen, reicht es, sich vorzustellen, ebendiese Informationen würden einem beim Besuch des Museums oder beim Lesen der Zeitung fehlen. Sowohl der kunstsinnige Museumsbesucher wie auch der ernsthafte Zeitungsleser würden sich betrogen fühlen. Bilder mögen zum Betrachten da sein — wie die alltägliche Erfahrung lehrt, bedürfen wir aber meistens begleitender Textinformation, um dieses Betrachten gewinnbringend zu gestalten. So sollte es nicht verwundern, dass Bilder auf athenischen Vasen der archaischen und klassischen Epoche ebenfalls sehr häufig von Texten umfangen sind, so auf dem hier behandelten Gefäß, einer berühmten Amphora aus der Zeit um 540 v. Chr. in den Vatikanischen Museen. Es handelt sich um ein Gefäß, das für das Symposion, das luxuriöse Trinkgelage der Männer, gedacht war, in dessen Kontext man sich folglich an dem prächtigen figürlichen Dekor des Gefäßes erfreuen sollte.

Zwei gerüstete Krieger sitzen an einem blockartigen Tisch und vertreiben sich die Zeit mit einem Brettspiel. In den Freiräumen zwischen den Figuren verlaufen zahlreiche Schriftzüge. Gehen wir diese Aufschriften einzeln durch: Über den Köpfen der beiden Krieger stehen zwei aus dem Mythos wohlbekannte Namen: Links Ἀχιλ<λ>έo̅ς, übersetzt »des Achill« (in dem Sinne »dies ist die Figur des Achill«) und rechts Αἴαντος, »des Aiax«. Wir haben es hier also mit den beiden stärksten griechischen Helden im Kampf um Troja zu tun, die sich im Brettspiel messen. Die Beschriftung links der Figur des Achill lautet Ἐχσε̅ κί(α)ς ἐποίεσε(ν), »Exekias hat es gemacht«. Hierdurch liefert der ›Text im Bild‹ also bereits die wesentlichen Informationen, welche dem Betrachter wie in den oben erwähnten Begleitplaketten in einer Gemäldegalerie zur Verfügung gestellt werden, nämlich wer dargestellt und wer der Künstler ist.

Doch steht auf dem Vasenbild noch mehr geschrieben: Rechts von Aiax liest man Ὀνε̅ τορίδε̅ ς καλός, also »Onetorides ist schön«. Wer ist dieser Onetorides? Solche sogenannten kalos-Inschriften, die die Schönheit eines Knaben feiern, obwohl dieser im Bild gar nicht dargestellt ist, sind in der attischen Vasenmalerei sehr häufig. Man muss davon ausgehen, dass es sich dabei um die Namen von Knaben aus der ›jeunesse dorée‹ Athens handelt, die durch ihre Schönheit besonders herausstachen und in der feinen Gesellschaft der Stadt in aller Munde waren. Schöne Knaben und ihr erotisches Charisma waren somit in der Bilderwelt der athenischen Luxuskeramik allgegenwärtig. Dieses Thema war ebenso zentral in den elaborierten Trinkliedern, welche uns aus archaischer Zeit überliefert sind. Dabei besteht allerdings kein besonderer Zusammenhang mit der bildlichen Darstellung: Diese Art der Beschriftung liefert uns keinerlei Textinformation, die unentbehrlich gewesen wäre, um das Bild auf der Vase zu verstehen. Was ist also der Sinn dieser Inschriften? Zwei weitere Schriftzüge auf unserer Vase sind wiederum von ganz anderer Art: Schräg abwärts von den Mündern der beiden Helden verlaufen zwei Beschriftungen: τέσ(σ)‌αρα (»vier«) bei Achill und τρία (»drei«) bei Aiax. Achill hat also offenbar eine Vier gewürfelt, Aiax nur eine Drei. Ebenso wie Achill den Aiax durch seine Heldentaten auf dem Schlachtfeld noch übertrifft, so setzt er sich auch beim Brettspiel durch. Die ausgeschriebenen, gewürfelten Augenzahlen unterstreichen also nochmals etwas, was in Homers Ilias omnipräsent und ganz allgemein für die griechische Kultur charakteristisch ist, nämlich die Wichtigkeit von Wettkampf und Sieg, mithin das, was als ›agonales Prinzip‹ beschrieben worden ist. Außerdem schaffen sie so etwas wie eine ›Sonorisierung‹ (›Vertonung‹) des Bildes, wie es der französische Archäologe François Lissarrague formuliert hat: Die Schriftzüge kommen unmittelbar aus den Mündern der beiden Helden — bei Aiax wurde dafür sogar die Schreibrichtung angepasst, mit einem linksläufigen τρία! An die Stelle der rein visuellen Erfahrung des Bildes sollte eine synästhetische Erfahrung treten. Diesbezüglich ist es für das Verständnis solcher Inschriften entscheidend, dass man davon ausgehen muss, dass diese prinzipiell laut gelesen wurden. Durch das laute Lesen der von den beiden Helden ausgesprochenen Worte findet also eine Art ›re-enactment‹ statt, in jedem Fall aber eine ganz und gar konkrete Sonorisierung des Bildes. Als reine Textinformation waren diese Inschriften jedoch erneut für das Bildverständnis durchaus entbehrlich.

Es zeigt sich somit, dass es bei den Inschriften im Bild kaum primär um ihren Informationsgehalt ging. Nicht nur bringen Inschriften in der attischen Vasenmalerei oft wenig Sinn ein, der nicht bereits aus dem Bild zu erschließen gewesen wäre. Teils erweisen sie sich auch empfänglich für offensichtlichen Unsinn — etwa durch bewusst ›falsche‹ Namensbeischriften. Wie weit die Unsinnigkeit von Vaseninschriften gehen kann, wird insbesondere an einer sehr häufigen Kategorie von Inschriften deutlich, nämlich den sogenannten ›nonsense-Inschriften‹, also solchen, die den normalen Beschriftungen zwar visuell ganz und gar gleichen, sich beim Versuch eines Entzifferns aber als sinnlose Buchstabenfolgen entpuppen. Hier handelt es sich nicht um eine Aufforderung, den Text zu lesen und das Bild zu betrachten. Vielmehr wird der Betrachter dazu bewegt, bei der Rezeption des gar nicht lesbaren Textes den fehlenden Sinn in das Bild hineinzulesen, mithin, wenn man so möchte, den Text zu betrachten und das Bild zu lesen. Der Betrachter wird also dazu angeregt, das Betrachten des Bildes und das Lesen des Texts nicht als kategorial getrennte Rezeptionsakte aufzufassen, teilen sich Figuren und Inschriften doch denselben Raum: Geschrieben wird nicht neben dem Bild, sondern im Bild, als integraler Bestandteil des Bildes. Dasselbe gilt auch für den Produktionsakt des Zeichnens und des Schreibens: Beides wird nämlich mit demselben griechischen Verb — graphein — bezeichnet.

Artikel als PDF

zum Autor

Nikolaus Dietrich ist seit 2015 Junior-Professor am Institut für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg. Er erforscht griechische und römische Bildkulturen. Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt dabei auf der griechischen Vasenmalerei. Im SFB 933 leitet er das Teilprojekt A10 »Schrift und Bild in der griechischen Plastik: Exemplarische Untersuchung am Beispiel Athens und Olympias von der Archaik bis in die Kaiserzeit«.

Literatur

Gerleigner, Georg (2015),»Smikros hat’s gemalt. Zur Schriftbildlichkeit griechischer Vaseninschriften«, in: Annette Kehnel u. Diamantis Panagiotopoulos (Hgg.), Schriftträger – Textträger. Zur materialen Präsenz des Geschriebenen in frühen Gesellschaften (Materiale Textkulturen 6), Berlin/München/Boston, 209–228.

Lissarrague, François (1995), »Epiktetos egraphsen. The Writing on the Cup«, in: Simon Goldhill u. Robin Osborne (Hgg.), Art and Text in Ancient Greek Culture, Cambridge, 12–27.

Osborne, Robin/Pappas, Alexandra (2007), »Writing on Archaic Greek Pottery«, in: Zahra Newby u. Ruth LeaderNewby (Hgg.), Art and Inscriptions in the Ancient World, Cambridge, 131–155.

Weitere Verweise

Informativer Katalogeintrag der im Text besprochenen Amphore auf der Seite des Vatikanischen Museums.

Video mit Detailaufnahmen der im Text behandelten Amphore sowie Erklärungen auf KhanAcademy. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, hierzu ein kleines Quiz zu absolvieren.